Das deutsche Projekt OpenRide zeigt eindrucksvoll, wie eine Mitfahrzentrale im 21. Jahrhundert aussehen muss. In unserem Interview erklärt die technische Projektleiterin Anna Kress vom Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssysteme das Prinzip und die Vorteile des Systems.
Wenn umweltbewusste Menschen alleine im Auto sitzen, fährt das schlechte Gewissen meist mit. Doch wer nur kurz zum Einkaufen oder ins Fitnessstudio fährt, wird sich kaum mithilfe einer Mitfahrzentrale um Beifahrer bemühen. An dieser Stelle setzt das Projekt OpenRide an, das momentan von Forschern des Fraunhofer Instituts entwickelt wird. Wir haben die technische Leiterin von OpenRide, die Informatikerin Anna Kress interviewt und zu Ihrem innovativen Projekt befragt.
YaaCool: Anna Kress, was ist OpenRide?
Anna Kress, Fraunhofer Institut: Steigende Mobilitätskosten und zunehmendes Umweltbewusstsein lassen derzeit den Bedarf nach günstigen und flexiblen Alternativen zu etablierten Mobilitätsdiensten stark wachsen. OpenRide ist eine Komplettlösung für die Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten, die am Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssysteme entwickelt wird. Fahrer und Mitfahrer können über OpenRide unterwegs von ihrem Mobiltelefon aus spontan Mitfahrgelegenheiten einstellen oder suchen. Damit können insbesondere Mitfahrgelegenheiten im Nahverkehr vermittelt werden, was mit traditionellen Mitfahrzentralen nicht möglich ist. Eine weitere Besonderheit ist die Offenheit der OpenRide‐Infrastruktur, die es vorhandenen Mitfahrzentralen und Communities ermöglicht, sich auf einfache Art und Weise an OpenRide anzubinden und damit den Markt für mobile ad‐hoc-Mitfahrgelegenheiten zu erschließen.
Wie muss man sich das Ganze praktisch vorstellen, wie funktioniert OpenRide?
Anna Kress: Im Unterschied zu etablierten Lösungen für Mitfahrgelegenheiten vermittelt OpenRide Fahrten spontan von unterwegs und auch für kurze Fahrstrecken, etwa in der Stadt. Fahrer und Mitfahrer geben dazu ihr Ziel über die OpenRide-Anwendung auf ihrem Mobiltelefon ein. Ihr gegenwärtiger Standort wird automatisch bestimmt, etwa über satellitenbasierte GPS‐Ortung. Diese Informationen fließen an unseren Server, der laufend alle Angebote und Anfragen miteinander vergleicht und bei passenden Mitfahrgelegenheiten beide Parteien sofort verständigt.
Wichtig ist neben der Übereinstimmung der Routen ebenfalls die Frage, ob Fahrer und Mitfahrer zusammenpassen. Wir berücksichtigen deshalb auch ihre persönlichen Profile. Ein eingebautes Bewertungssystem sorgt dabei für mehr Vertrauen zwischen sich unbekannten Personen. Erhalten Fahrer und Mitfahrer einen Vorschlag für eine Mitfahrgelegenheit, müssen beide diesen akzeptieren, bevor persönliche Daten wie die Telefonnummer über die Anwendung mitgeteilt werden. Ein integriertes Bezahlsystem sorgt für zusätzliche Nutzerfreundlichkeit, so muss man kleine Beträge, wie sie für Kurzstrecken fällig werden, nicht bar austauschen.
Ein faszinierendes Konzept! Wie ist denn die Idee zu OpenRide entstanden?
Anna Kress: In unseren Forschungsprojekten arbeiten wir schon seit langem in den relevanten Bereichen, etwa im Bereich von sogenannten Location Based Services: Das sind Dienste, die einem Nutzer aufgrund seines Standortes angeboten werden. Ein erster Prototyp einer einfachen mobilen Mitfahrzentrale entstand auch bereits vor zwei Jahren, damals als ein Projekt mit Studierenden der TU Berlin und in Zusammenarbeit mit der Deutschen Telekom. Die massive Verbreitung von passenden Mobiltelefonen findet aber erst jetzt statt. Da wir hier ein großes Marktpotenzial sehen, haben wir die Idee wieder aufgegriffen und entwickeln sie seitdem kontinuierlich weiter.
Sie haben ja bereits angesprochen, wie der Bezahlvorgang zwischen Mitfahrer und Fahrer aussehen kann. Wie sieht es denn mit der Finanzierung des Projekts aus? Muss man für die Nutzung von OpenRide eine Gebühr bezahlen? Ist vielleicht auch die Einbindung von Werbung geplant?
Anna Kress: Von dem Betrag, der zwischen Fahrer und Mitfahrer ausgehandelt wird, wird OpenRide eine geringe Provision für die Vermittlung einbehalten, ähnlich dem Prinzip von Ebay. Eine Teilfinanzierung über Werbung werden wir ebenfalls evaluieren.
Ab Ende des Jahres sollen erste Industriekunden OpenRide testen. Wie sieht Ihr weiterer Zeitplan aus? Lässt sich schon absehen, wann Otto Normalverbraucher den Dienst nutzen können wird?
Anna Kress: Das Pilotprojekt mit Industriepartnern wird in mehreren Stufen mit kontinuierlich steigender Nutzerzahl stattfinden. Spätestens Mitte des nächsten Jahres wollen wir die Anwendung frei verfügbar machen.
Wird OpenRide dann auch international verfügbar sein oder nur in Deutschland?
Anna Kress: Das Pilotprojekt und die ersten Schritte danach werden in Deuschland stattfinden. Jedoch wollen wir mittelfristig auch international aktiv werden und haben auch schon erste Kontakte ins europäische Ausland geknüpft, etwa nach Frankreich.
Vor Kurzem haben Sie Ihr Projekt auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) vorgestellt. Welche Resonanz haben Sie dort erfahren?
Anna Kress: Auf der IFA haben wir einen ersten Prototypen vorgestellt. Das Feedback von Messebesuchern, Fachleuten und Presse war sehr positiv. Das zeigt uns, dass ein großer Bedarf da ist und wir zum richtigen Zeitpunkt mit der Idee auf den Markt kommen. Außerdem wurden wir darin bestätigt, dass wir sowohl mit dem technischen Ansatz als auch mit unserem Partnermodell richtig aufgestellt sind.
In den USA und in Kanada sind die sogenannten Carpool Lanes, auf denen nur Autos mit mindestens zwei Personen an Bord fahren dürfen, nichts besonderes mehr. Was denken Sie ‐ warum hat sich dieses Konzept in Deutschland noch nicht durchgesetzt?
Anna Kress: Gerade in den Ballungszentren in Nordamerika ist die Verkehrsproblematik besonders hoch, da der öffentliche Personennahverkehr schlechter als zum Beispiel in Europa ausgebaut ist. Allerdings sehen wir den öffentlichen Personennahverkehr nicht als Konkurrent zu OpenRide, sondern als Partner. Gemeinsam lassen sich Mobilitätskombinationen anbieten, wie sie zum Beispiel bereits in populären Ansätzen wie Park&Ride realisiert sind und damit Potential zur Weiterentwicklung geben.
Die mobile Internetnutzung in Deutschland steckt seit Jahren in den Kinderschuhen. Befürchten Sie, dass auch Ihr Dienst mit mangelnder Akzeptanz zu kämpfen haben wird, wenn sich in diesem Bereich nichts ändert?
Anna Kress: Unsere Lösung ist tatsächlich webbasiert, weil wir davon überzeugt sind, dass eine mobile Mitfahrzentrale erst so richtig benutzerfreundlich wird und Spaß macht. Das setzt natürlich Mobiltelefone voraus, die internetfähig sind. Der Verbreitung von solchen Geräten in naher Zukunft sehen wir aber sehr optimistisch entgegen. Letztlich erwarten wir aber auch ein Zusammenwachsen von mobiler Kommunikation und Navigationssystemen, in die OpenRide integriert werden kann. So können wir dabei helfen, für die Nutzer Mehrwerte und für die Hersteller neues Umsatzpotenzial zu erschließen.
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