YaaCool: Alexander Hissting, einige Milchprodukte wie Babymilchnahrung oder Schulmilch stammen von Kühen, die mit Genfutter ernährt wurden. Werden diese Produkte entsprechend gekennzeichnet?
Alexander Hissting, Gentechnikexperte: Nein, leider nicht, da besteht immer noch eine Kennzeichnungslücke: Gekennzeichnet werden müssen nur Produkte, die gentechnisch verändert sind oder aus gentechnisch veränderten Bestandteilen hergestellt wurden, zum Beispiel Sojaöl aus gentechnisch veränderten Sojapflanzen. Das gilt jedoch nicht für tierische Produkte wie Milch oder Eier, die von Tieren stammen, die mit Genfutter ernährt wurden.Ist diese Regelung dem Verbraucher hinlänglich bekannt?
Alexander Hissting: Das glaube ich nicht, die wenigstens haben genaue Kenntnisse darüber, wie Produkte, bei denen Gentechnik zum Einsatz kommt, gekennzeichnet oder eben nicht gekennzeichnet werden. Umfragen zeigen aber, dass 90 Prozent der Verbraucher eine Ausweitung der Kennzeichnungsverordnung befürworten würden.Woher stammen die gentechnisch veränderten Futtermittel für Milchkühe?
Alexander Hissting: Bei den Futtermitteln handelt es sich hauptsächlich um Soja, weniger häufig wird auch Genmais verwendet. Gentechnisch veränderte Sojapflanzen werden fast ausschließlich in Amerika angebaut und dort besonders in Argentinien und Brasilien.Schadet Milch von Kühen, die mit Genpflanzen gefüttert wurden, unserer Gesundheit?
Alexander Hissting: Greenpeace geht momentan nicht davon aus, dass eine Gesundheitsgefahr besteht. Diese Einschätzung entspricht auch dem Stand der aktuellen Forschung. Dennoch lohnt es sich für Verbraucher, beim Einkauf auf gentechnikfreie Nahrungsmittel zurückzugreifen, denn Genpflanzen auf dem Acker haben negative Auswirkungen auf die Umwelt.Verbraucher können durch ihren Konsum beeinflussen, ob weiterhin gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut und in Nahrungsmitteln verarbeitet werden oder nicht. Eltern, die ihren Kindern und Enkeln eine intakte Umwelt hinterlassen wollen, sollten das bedenken und sich für gentechnikfreie Milchprodukte entscheiden.
Welche Auswirkungen auf die Umwelt können Genpflanzen haben?
Alexander Hissting: Gentechnisch veränderte Soja- und Maispflanzen wirken sich unterschiedlich auf die Umwelt aus: Gen-Soja ist resistent gegen Totalherbizide, das sind toxische Spritzmittel, die alles abtöten, was grün ist. Durch den Einsatz von Totalherbiziden sollen alle Pflanzen und Unkräuter auf dem Acker abgetötet werden, während die Sojapflanzen überleben. Mit der Zeit bilden Unkräuter jedoch Resistenzen gegen solche Gifte, was in den USA und in Südamerika bereits der Fall ist. Daher verwenden Landwirte dort immer mehr und immer giftigere Spritzmittel - sogar solche, die in Europa verboten sind. Untersuchungen zufolge steigt der Einsatz giftiger Spritzmittel auf den Feldern mit Gen-Soja nach etwa drei bis vier Jahren drastisch. Die Gifte in den Sojabohnen haben nach heutigen Erkenntnissen allerdings keine Auswirkungen auf die Milch von Kühen, die diese fressen.Gentechnisch veränderte Maispflanzen dagegen produzieren ein Insektengift gegen Schädlinge, das auch wichtige Nützlinge wie zum Beispiel Schmetterlinge tötet. Das Anpflanzen von Genmais ist daher ein Eingriff in das ökologische Gleichgewicht.
Greenpeace hat kürzlich den Einkaufsratgeber "Milch für Kinder" herausgegeben, der Hersteller von Milchprodukten unter die Lupe nimmt. Nach welchen Kriterien wurden die Milchprodukte bewertet?
Alexander Hissting: Für den Einkaufsratgeber "Milch für Kinder" (Link siehe unten, Anmerkung der Redaktion) wurden Hersteller von Milchnahrung für Säuglinge sowie Schul- und Trinkmilch untersucht. Greenpeace wollte von den Unternehmen wissen, ob sie bereits auf gentechnisch veränderte Futtermittel für Milchkühe verzichten, ob sie vorhaben, bis Ende 2010 konkrete Schritte für dieses Ziel einzuleiten und ob sie auf Genfutter überhaupt verzichten wollen. Außerdem wurden die Hersteller gefragt, ob sie ihre Lieferanten 2010 dazu verpflichten werden, keinen Genmais mehr anzubauen und ob Produkte das "Ohne Gentechnik"-Siegel tragen.Was kam bei Ihrer Befragung heraus?
Alexander Hissting: Die vier großen Hersteller von Milchnahrung sind Nestlé, Milupa, Hipp und Humana. Das Unternehmen Hipp ist schon seit längerem bemüht, auf Gentechnik im Futter zu verzichten, und Humana gab an, bis Ende 2010 konkrete Schritte für die Umstellung auf gentechnikfreies Futter einzuleiten. Wir versprechen uns von diesem Vorhaben eine Signalwirkung für andere Hersteller, da Humana die zweitgrößte Molkerei Deutschlands ist.Nestlé und Milupa dagegen wollten keine Zusicherungen geben, dass sie in Zukunft auf Gentechnik im Tierfutter verzichten werden.
Werden die Milchnahrungsprodukte von Hipp und Humana mit dem "Ohne Gentechnik"-Siegel gekennzeichnet?
Alexander Hissting: Nein, zunächst nicht, denn das gestaltet sich bei Milchnahrung schwieriger als zum Beispiel bei einfacher Trinkmilch. Babymilchnahrung besteht neben Magermilchpulver und Laktose aus vielen anderen Bestandteilen verschiedener Hersteller und es dauert einige Zeit, bis alle Lieferanten darauf umgestellt sind, gentechnikfreie Produkte zu erzeugen. Hinzu kommt, dass die Richtlinien des "Ohne Gentechnik"-Siegels sehr streng formuliert sind: Um das Siegel zu verwenden, dürfen Produzenten zum Beispiel keine Zusatzstoffe wie Vitamine verwenden, die mit gentechnisch veränderten Bakterien hergestellt werden. Teilweise ist es sehr schwierig, solche Zusatzstoffe in gentechnikfreier Form zu erhalten.Bei Trinkmilch dagegen ist tatsächlich nur die Milch der Kühe im Produkt enthalten. Trinkmilch der Firma Landliebe zum Beispiel stammt von Kühen, die ohne Genfutter ernährt wurden, und kann daher mit dem "Ohne Gentechnik"-Siegel gekennzeichnet werden.