YaaCool: Herr Prof. Dr. Schaltegger, was ist ein Nachhaltigkeitsmanager?
Prof. Dr. Schaltegger: Nachhaltigkeitsmanager/innen sind Persönlichkeiten, die Nachhaltigkeit unternehmerisch umsetzen. Sie überzeugen durch profilierte Gestaltungsangebote, neue Organisationsformen und Innovationen. Nachhaltigkeitsmanager/innen handeln innerhalb bestehender Unternehmen oder im Rahmen der Gründung neuer Organisationen, machen auf einseitige ökonomische, ökologische oder soziale Sichtweisen aufmerksam und zeigen auf, wie das Unternehmen nachhaltige Entwicklung in der Praxis erreichen und voranbringen kann.Welche Aufgaben übernehmen Nachhaltigkeitsmanager/innen in einem Unternehmen? Welche Kompetenzen müssen sie vorweisen können?
Prof. Dr. Schaltegger: Beim Nachhaltigkeitsmanagement geht es um an den Marktbedingungen orientierte nachhaltige Organisationsentwicklung. Wirksames Nachhaltigkeitsmanagement ist in die Kernprozesse und das Kerngeschäft des Unternehmens integriert und trägt zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und des Unternehmenserfolgs bei. Es muss folglich in der obersten Geschäftsleitung verankert und in allen Organisationseinheiten verortet sein.Dementsprechend müssen Nachhaltigkeitsmanager/innen über die Eigenschaften und Kompetenzen guter Führungskräfte und Kommunikatoren verfügen, Innovationsprozesse initiieren, Organisationswandel unterstützen und Mitarbeitende motivieren können. Hierzu gehören neben Fachwissen auch sogenannte Soft Skills und ein gutes Verständnis für unternehmerisches Handeln.
Was genau bedeutet nachhaltiges Wirtschaften in einem Unternehmen?
Prof. Dr. Schaltegger: Unternehmerische Nachhaltigkeit äußert sich in der integrativen Berücksichtigung sozialer, ökologischer und ökonomischer Aspekte des Unternehmens. In einem fortgeschrittenen Stadium dient das Nachhaltigkeitsmanagement dazu, nachhaltige Innovationen im Kerngeschäft und nicht nur im Umfeld des Kerngeschäfts sicherzustellen, Märkte aktiv mitzugestalten und Marktrahmenbedingungen mitzuprägen. Im Zentrum steht die Frage, wie ein Unternehmen sich entwickeln oder gar erneuern kann, damit es sogenannte "Business Cases for Sustainability" schafft, das heißt mit seinen Aktivitäten den Unternehmenserfolg dadurch stärkt, dass es substanziell zu einer nachhaltigen Entwicklung beiträgt. Von nachhaltigem Unternehmertum als die konsequenteste Form des Nachhaltigkeitsmanagements wird im Sinne des österreichischen Ökonomen Schumpeters gesprochen, wenn ein Unternehmen durch neue, überzeugendere nachhaltige Angebote bisherige, weniger nachhaltige "kreativ zerstört". Dies kann eine grundsätzliche Revision des Geschäftsmodells bedingen.Warum ist Nachhaltigkeit wichtig?
Prof. Dr. Schaltegger: Letztes Jahr war der ökologische Fußabdruck erstmals weltweit größer als der globale Ressourcenverbrauch und die globale Umweltbelastung. Das heißt, dass wir das Naturkapital in starkem Maße abbauen. Viele Länder verbrauchen schon seit einiger Zeit mehr Natur als ihnen zur Verfügung steht. Nun ist dies auch für die Welt der Fall. Betrachtet man die sozialen Verhältnisse, wo je nach Abgrenzung rund zwei bis drei Milliarden Menschen an der Existenzgrenze leben, dann sind wir als Know-how-Träger in verhältnismäßig komfortablen Lebensbedingungen gefordert, etwas zu unternehmen. Aber auch bei uns existieren viele soziale und ökologische Missstände, die Lösungen fordern. Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir uns in den wohlhabenderen Ländern dieser weltweiten Probleme langfristig entziehen könnten.Die meisten Nachhaltigkeitsprobleme wären gar nicht nötig und können gelöst werden, wenn wir die Sache in die Hand nehmen, das heißt etwas unternehmen: Die Sicherung der Lebensgrundlagen ist in ökonomischer Weise möglich und birgt auch viele Chancen für Unternehmen.
Welche Bereiche können oder sollten in einem Unternehmen nachhaltiger gestaltet werden?
Prof. Dr. Schaltegger: Nachhaltigkeit kann grundsätzlich alle Handlungsfelder und Organisationsbereiche des Unternehmens umfassen. Je nach Branche, Marktbedingungen, politischem und gesellschaftlichem Umfeld erhalten andere Themen eine hohe Bedeutung. Es gibt kaum eine Branche, in der keine Beispiele genannt werden können, wie Unternehmen sich durch Nachhaltigkeitsmanagement verändert oder gar neu erfunden haben.Können Sie ein konkretes Beispiel aus Ihrer eigenen Erfahrung nennen?
Prof. Dr. Schaltegger: In der chemischen Industrie sind häufig Energiesparmaßnahmen oder eine Reduktion der Materialflüsse interessante Ansatzpunkte, wo durch Umweltschutz auch Kosten gesenkt werden können. Auch Neugründungen fußen oft auf Nachhaltigkeitsangeboten, wie das Beispiel von SkySails zeigt, die Frachtschiffe und Tanker mit Segeln ausstatten und dadurch die Treibstoffkosten senken. Ansatzpunkte, die zum Beispiel in der Nahrungsmittelbranche und im Einzelhandel eine hohe Wettbewerbsrelevanz erlangt haben, liegen in der Produkt- und Sortimentsgestaltung. Biolebensmittel oder bekannte Produktbeispiele wie Bionade haben zu neuen Anbietern und Marktveränderungen geführt. Weitere Ansatzpunkte liegen beispielsweise im Risikomanagement, der Attraktivität als Arbeitgeber oder im Innovationspotenzial des Nachhaltigkeitsmanagements.Sehen Sie eine Tendenz zu nachhaltiger Unternehmensführung?
Prof. Dr. Schaltegger: Der Trend ist weltweit, in unterschiedlich starkem Ausmaß, aber überall festzustellen. Es ist ein Trugschluss zu glauben, unternehmerische Nachhaltigkeit sei ein Luxusthema oder nur in Industrieländern im Gespräch. Wenn Tata Motors in Indien wegen des Bevölkerungswiderstands eine schon aufgebaute Fabrik nicht betreiben und eine vollkommen neue aufbauen muss, dann zeigt dies, dass die Vernachlässigung des Themas auch in Schwellen- und Entwicklungsländern Risiken birgt. Genauso birgt Nachhaltigkeit auch Unternehmenschancen, wenn der Friedensnobelpreisträger Mahammad Yunus in Bangladesh mit Firmen wie Danone neue Produkte für die Ärmsten entwickelt und sie in die Produktion involviert werden. Die Entwicklung von Märkten für die sogenannte "Bottom of the Pyramid", also für die Ärmsten der Armen, kann ein Thema sein, das Unternehmen unserer Breitengrade mit Bevölkerungsgruppen verbindet, die bisher von Märkten ausgeschlossen waren.Erweist es sich als schwierig, nachhaltige Wirtschaftsformen zu vermitteln?
Prof. Dr. Schaltegger: Ja und nein. Nachhaltigkeitsmanagement vermag viele, sehr innovative Persönlichkeiten zu faszinieren. Erstens, weil genaues Durchdenken und Analysieren und damit mehr als Widergeben und Wiederholen gefordert ist. Zweitens wird immer mehr Menschen klar, dass nur eine nachhaltigere Lebens- und Wirtschaftsweise dem Beruf und der Arbeit mehr Sinn geben kann. Wertschöpfung wird wieder auf den eigentlichen Sinn des Wirtschaftens gelenkt: Werte zu schaffen ("schöpfen", altgermanisch "schaffen") und für Werte einzustehen.Die Vermittlung von Nachhaltigkeitsmanagement ist dennoch eine große Herausforderung, da vielfach eingespurtes Denken und etablierte Denkweisen erst aufgebrochen werden müssen, um wirklich innovative und robuste Analysen und Lösungen entwickeln zu können. Wir haben uns im MBA Sustainability Management deshalb entschlossen, je nach Inhalt einer Kurseinheit sehr unterschiedliche Lehrformen und methodische Zugänge zu verwenden, diejenigen eben, von denen wir überzeugt sind, dass sie am besten zu den Inhalten passen.