YaaCool: Karsten Schwanke, allein der Blick auf das diesjährige Archiv der von Ihnen für das ZDF moderierten Sendung "Abenteuer Wissen" zeigt die enorme Bandbreite des Wissens dieser Erde auf, das Sie uns Zuschauern allmittwochabends in leicht verdaulichen Häppchen präsentieren. Wie wichtig ist Ihnen die verständliche, sachliche Darstellung der oft komplizierten Themen?
Karsten Schwanke, Meteorologe, Autor und Moderator des TV-Magazins "Abenteuer Wissen" (ZDF): Das ist mir sehr wichtig. Wir sind ja kein Fachmagazin für Professoren, sondern wollen möglichst viele Zuschauer für unsere Themen begeistern. Deshalb müssen die Geschichten verständlich sein. Je besser uns dies gelingt, desto tiefer können wir auch in die Materie einsteigen. Darin sehe ich die Chance: Verständlichkeit bedeutet eben nicht automatisch inhaltliche Leere.Ein Moderator ist heute längst nicht mehr "nur Moderator". Wie tief arbeiten Sie sich in die entsprechenden Themen ein, wie lange brauchen Sie für die Vorbereitung einer Sendung und an wie vielen Sendungen zugleich arbeiten Sie?
Karsten Schwanke: Ich mache die Sendungen natürlich nicht allein. Ein ganzes Redaktionsteam bereitet die Sendungen vor – manche Kollegen sind monatelang mit einem Thema beschäftigt. So weit im Vorfeld gebe ich höchstens Impulse. Ich frage nach und äußere Wünsche zu Themen, die mich interessieren. Je näher die Sendung rückt, desto tiefer steige ich ins Thema ein, recherchiere selbst noch einmal – vor allem zu den Punkten, die für die Moderation wichtig sind. Da ich immer draußen vor Ort moderiere, mache ich mir oft Gedanken, wo ich was sagen könnte. "Abenteuer Wissen" ist aber vom Anfang bis zum Ende Teamwork – und das sehr erfolgreich! Denn manchmal habe ich drei, vier Sendungen parallel im Kopf – und da könnte ich schon auch den Überblick verlieren.Sie befragen für Ihre Sendung "Abenteuer Wissen" Experten verschiedener Wissenschaften, sie erwähnten gerade, dass Sie immer direkt von Orten des Geschehens berichten. Sie betrachten unsere Erde mit den Augen eines Meteorologen und haben mittlerweile sicher einen guten Einblick – zumindest einen authentischeren als wir Zuschauer – wie würden Sie den gesundheitlichen Zustand unseres Planeten mit wenigen Worten beschreiben?
Karsten Schwanke: Unsere Erde hat Fieber – würde ich sagen, wenn dieser Vergleich nicht schon zu häufig benutzt worden wäre. Ich versuche es mal anders: Am Tag, bevor einen die Erkältung mit 40 Grad Fieber ans Bett fesselt, spürt man, wie es los geht. Es zieht, irgendwie fühlt man sich seltsam, matt, und wird das Gefühl nicht los, dass man krank wird. In diesem Stadium befindet sich unsere Erde. (und nur selten gelingt es, die heraufziehende Erkältung abzuwenden ...)Das klingt in meinen Ohren sehr bitter. Gibt es denn überhaupt noch gesunde Flecken Erde?
Karsten Schwanke: Das kommt auf die Sichtweise an. Aus Sicht eines Meteorologen ist die Atmosphäre unseres ganzen Planeten krank. Überall. Aber wenn ich einfach nur meine Augen öffne, dann sehe ich noch viele, relativ unberührte Flecken auf der Erde. Wunderschöne Landschaften, fernab jeglicher Zivilisation. Wenn man nicht allzu pessimistisch ist – dann wären das für mich die gesunden Flecken Erde.Apropos Pessimismus. Angesichts der inzwischen alltäglichen, zumeist besorgniserregenden Berichterstattung über Umweltkatastrophen und Klimawandel wird vielen Angst und Bange um die Zukunft: Ist die Erde noch zu retten?
Karsten Schwanke: Theoretisch ja. Und praktisch? Ich habe meine Zweifel, ob wir Menschen die richtigen sind, um soweit in die Zukunft voraus zu planen – und entsprechend zu handeln. Aber die "Rettung" ist ja auch eine sehr menschliche Sichtweise: Ziemlich sicher ist es der Erde egal, was wir auf ihr anstellen. Den Planeten wird es auch nach uns Menschen noch geben.Wie und wo kann jeder Einzelne von uns anfangen, um etwas für den Erhalt der Umwelt zu tun?
Karsten Schwanke: Nach der letzten Antwort könnte man jetzt den Kopf in den Sand stecken – aber das hilft uns nicht weiter. Also: Vieles kann man tun. Im Kleinen wie im Großen.- Klein: Strom sparen, Ökostrom bestellen, Häuser dämmen und die Art der Mobilität hinterfragen – das sind alles Schritte in die richtige Richtung.
- Groß: 1. Sich engagieren, in einer Organisation, um noch mehr Menschen mitzureißen. 2. Erfinder werden – etwas entwickeln, was zum Klimaschutz beitragen kann.
Was bedeutet Ihnen Nachhaltigkeit?
Karsten Schwanke: Zunächst mal: Wirkliche Nachhaltigkeit ist enorm wichtig – weil sie alles umfasst, alles einbezieht, nicht nur auf einen Aspekt (zum Beispiel Energiesparen) achtet. Nur: Ich kann dieses Wort nicht mehr hören. Es wird leider zu oft missbraucht und wird damit zur Farce. Das Label "Nachhaltigkeit" pappt auf Dingen drauf, die gar nichts mit dem Inhalt dieses Wortes zu tun haben. Aber es scheint vor kritischen Nachfragen zu schützen.Nennen Sie uns bitte Beispiele, wie Sie Nachhaltigkeit in praktischen Alltag umsetzen!
Karsten Schwanke: Schwierige Frage. Ich habe zu Hause Ökostrom, keine klassischen Glühbirnen mehr, und fahre, so oft es geht, mit der Bahn. Aber ist das wirklich nachhaltig??? Eher nein. Mein persönlicher CO2-Ausstoß dürfte aufgrund meiner vielen Dienstreisen eher katastrophal sein.Wie können umweltbewusste Eltern ihren Nachwuchs für das Thema Umwelt & Umweltschutz sensibilisieren: Haben Sie Tipps?
Karsten Schwanke: Mit ihnen darüber reden. Allein dieses Thema anzuschneiden, den Kindern bewusst zu machen, was auf unserer Erde passiert, ist die halbe Miete. Kinder sind sehr daran interessiert. Und sie sind wesentlich leichter zum Handeln zu bewegen als Erwachsene, die sich ihr Leben einmal eingerichtet haben. Ein Thema, das wir den heutigen Kindern mitgeben könnten, wäre: Verzicht zu üben. Denn das kennen die meisten Kinder nicht, sie werden zugeschüttet und gepampert von vorn bis hinten.Immer wieder sieht man – sowohl im Freundes- oder Bekanntenkreis als auch mit Blick auf die Entscheider dieser Welt – ignorante Dickköpfe, denen die Umwelt (noch) egal zu sein scheint. Haben Sie eine Botschaft an diese Ignoranten?
Karsten Schwanke: Ich nehme sehr gern die Botschaft des Briten Sir Nicholas Stern: Der hat berechnet, dass uns der Schutz der Atmosphäre nur etwa 1 bis 2 Prozent des weltweiten BIP (BIP steht für Brutto-Inlands-Produkt, hier also der Gesamtwert aller Güter - Waren und Dienstleistungen - an, die innerhalb eines Jahres weltweit hergestellt wurden und dem Endverbrauch dienen) kosten würden – dass aber die Kosten, um später die Schäden zu beheben, ein Vielfaches betragen könnten. Und dass würde unserer verwöhnten Gesellschaft richtig wehtun. Eine Frage: Was, wenn nicht nur 1.000 Bootsflüchtlinge von Afrika nach Europa paddeln, sondern 1 Milliarde Menschen vor unserer Tür stehen?Wenn Sie die Macht hätten, welche drei Dinge würden Sie am Lauf der Welt ändern und warum?
Karsten Schwanke:- Realistisch: weltweiten CO2-Emmissionhandel einführen – ohne Ausnahmen. Denn dann werden viele umweltfreundliche Entwicklungen schnellstmöglich umgesetzt – und die Entwickler profitieren davon
- Träumerisch: alle Krankheiten beseitigen
- Noch verrückter: Ein Raumschiff bauen, mit dem ich mit Lichtgeschwindigkeit durch das Weltall flitzen könnte (lacht)
Was war das Erschreckendste, was das Überraschendste und was das Schönste, das Sie bei Ihrer Mission "Abenteuer Wissen" gesehen haben?
Karsten Schwanke:- Erschreckend: Dass in Kanada auf einer Fläche so groß wie Florida Wälder abgeholzt werden, der Boden umgegraben wird – auf der Suche nach Ölsanden. Eine Ökokatastrophe ohne Gleichen.
- Überraschend: Französische Wissenschaftler haben Süßwasserquellen gefunden – im Meer. Und sie können sie anzapfen. Spannend für Wüstengebiete!
- Schön: Auf der Suche nach den ersten amerikanischen Ureinwohnern war ich in den Unterwasserhöhlen auf Yucatan (Mexiko). In kristallklarem, blauen Wasser. Das sah gigantisch aus!
In Ihrem neuen Buch "Naturkatastrophen" (Infos und Link unten) haben Sie mit Ihren Mitautoren akribisch aufgezeigt, wie diese zustande kommen. Teilen Sie die Meinung, dass die Welt und wir Menschen immer häufiger und stärker von solchen Naturgewalten heimgesucht werden?
Karsten Schwanke: Zwei Dinge: Wir Menschen leben in einer immer künstlicheren Welt – in der uns Naturkatastrophen wesentlich stärker schädigen können als früher. Die gleiche Katastrophe bewirkt heute einen größeren materiellen Schaden. Zum anderen: Die Anzeichen deuten darauf hin, dass manche Katastrophen stärker und häufiger kommen könnten. Aber hier bleibe ich vorsichtig, weil das nicht in jedem Fall bestätigt ist.Warum ist es wichtig, zu verstehen, wie die Natur funktioniert und was die Erde im Innersten zusammenhält? Kann uns dieses Wissen helfen, uns vor katastrophalen, oft todbringenden Ereignissen zu schützen?
Karsten Schwanke: Zuallererst ist es doch einfach unglaublich spannend, mehr über unseren Heimatplaneten zu erfahren. Und ich möchte wissen, wie etwas funktioniert. Das ist die eine Seite – und auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass wir besser gewappnet sein können, wenn wir Katastrophen voraussagen können – oder zumindest, wenn wir ein Gefahrenpotential abschätzen können.Müssen wir lernen und unsere Kinder lehren, mit der offenkundigen Vielzahl unterschiedlicher Natur-Phänomene zu leben – und vielleicht auch zu sterben?
Karsten Schwanke: Wir sollten mit Kindern immer so offen wie nur irgend möglich umgehen und sie nicht in einem Glaskasten aufwachsen lassen. Dazu gehört also auch die Wahrheit über Gefahren auf unserer Erde. Aber ich würde nicht den Teufel an die Wand malen.Meine vorletzte Frage: Glauben sie an Gott?
Karsten Schwanke: Nein, ich glaube nicht daran. Dazu bin ich zu naturwissenschaftlich erzogen worden und aufgewachsen.Zu guter Letzt möchte ich Sie bitten, eine kleine Prognose für das diesjährige Weihnachtsfest abzugeben: Kann der Weihnachtsmann 2009 mit dem Schlitten vorfahren – oder bleibt es in unseren Breitengraden wieder einmal grün?
Karsten Schwanke: So gut wie in diesem Jahr sah es schon lange nicht mehr aus!Vielen Dank, Karsten Schwanke, dass Sie sich unseren Fragen gestellt haben!
Infos zum Buch: Karsten Schwanke u.a.: "Naturkatastrophen: Wirbelstürme, Beben, Vulkanausbrüche - Entfesselte Gewalten und ihre Folgen", Springer, Berlin, 2. vollständig erweiterte und überarbeitete Auflage, August 2009, Preis: Euro 29,95.Zur Person: Karsten Schwanke
Karsten Schwanke wurde 1969 in Belzig geboren und wuchs im brandenburgischen Ziesar auf, wo er die Schule bis zum Abitur besuchte. Von 1987 bis 1988 absolvierte Schwanke eine Berufsausbildung als Technischer Assistent für Meteorologie beim Meteorologischen Dienst der DDR in Potsdam. Anschließend begann er das Grundstudium der Meteorologie an der Humboldt-Universität zu Berlin, das er von 1991 bis 1995 mit dem Hauptstudium an der Universität Hamburg fortsetzte. Seine Diplomarbeit mit dem Titel "Simulation von Vulkanausbrüchen" hat er mit Hilfe des weltweit ersten 3D-Vulkan-Modells am Deutschen Klimarechenzentrum in Hamburg erarbeitet.Ab 1995 arbeitete Karsten Schwanke als Meteorologe und TV-Moderator in der Firma Meteomedia AG von TV-Kollege Jörg Kachelmann in der Schweiz und moderierte "Das Wetter im Ersten" (ARD) und ab 1996 "Das Wetter im ARD-Morgenmagazin". Von 1996 bis 2001 moderierte er als erste Sendung ohne Wetterbezug die Tiersendung für Kinder "Chamäleon" und von 1999 bis 2003 auch die ARD-Wissenschaftssendung "Kopfball" sowie weitere Wissenschaftssendungen. Im Jahr 2006 wechselte Schwanke zum ZDF, wo er seitdem das Magazin "Abenteuer Wissen" präsentiert. Karsten Schwanke ist seit 2003 verheiratet, er hat eine Tochter (geboren 2004) und einen Sohn (geboren 2006). Schwanke lebt mit seiner Familie in Köln.