Der Betrug wurde der Financial Times Deutschland zufolge bereits im April 2009 von indischen Behörden aufgedeckt. Der Direktor der indischen Agrarbehörde Apeda, Sanjay Dave, sprach von Betrügereien in "gigantischem Ausmaß". Zusammen mit westlichen Zertifizierungsunternehmen hätten zahlreiche Dörfer gentechnisch veränderte Baumwolle als Bioprodukt deklariert und in großen Mengen in Umlauf gebracht. Rund 50 Prozent der gesamten Biobaumwolle stammt laut FTD-Angaben aus indischer Produktion. Im Westen war der Fall damals nicht bekannt geworden.
Zuständig für die Überprüfung von Bioprodukten sind normalerweise private Zertifizierer. Im Fall der gentechnisch veränderten Baumwolle zogen die indischen Behörden den französischen Anbieter "Ecocert" sowie die niederländische Zertifizierungsfirma "Control Union" zur Verantwortung. Diese mussten laut Sanjay Dave Bußgelder in Höhe von mehreren Zehntausend Euro zahlen.
Control Union arbeitet unter anderem für die Modekette H&M, die bereits seit April 2009 über den Betrug informiert ist. H&M-Sprecherin Swetlana Ernst gab an, man habe mit der Zertifizierungsfirma gesprochen, um auszuschließen, dass sich ein solcher Fehler wiederhole. Das Unternehmen plane zurzeit nicht, zusätzliche Kontrollen durchzuführen.
Die Handelskette H&M kann im Moment jedoch nicht ausschließen, dass ein Teil der gentechnisch veränderten Baumwolle in Biokleidung mit dem Label "Organic Cotton" verwendet wurde. Das firmeneigene Biolabel steht laut Webseite des Unternehmens für "100 Prozent ökologisch angebaute Baumwolle". Die Stoffe seien nicht schädlich, so Swetlana Ernst. Kunden könnten gekaufte Biokleidung aus Indien oder Bangladesch jedoch ohne Kassenzettel zurückgeben. Im vergangenen Jahr bezog H&M 40 Prozent der gesamten Biobaumwolle aus Indien.
Die Handelsketten C&A und Tchibo dagegen gaben an, nichts von der gentechnisch belasteten Baumwolle gewusst zu haben. Tchibo will seine Ware nun einem Labortest unterziehen.
Das Modehaus C&A kündigte an, eine Überprüfung vor Ort vornehmen zu wollen. Handele es sich hier um einen Betrug, so werde man rechtliche Schritte in Betracht ziehen. Es liege in der Verantwortung der Zertifizierer, dafür zu sorgen, dass beim Anbau von Biobaumwolle keine Gentechnik zum Einsatz komme. Das sei von den Zertifizierungsfirmen in jedem Einzelfall bestätigt worden. C&A bewirbt mit dem Label "Bio Cotton" hauptsächlich Jeansprodukte und T-Shirts. Den Kunden wird ebenfalls das Recht eingeräumt, Biokleidung aus Indien zurückzugeben.
"Die Verantwortung liegt hier eindeutig bei den Herstellern", sagt dagegen Verbraucherschützerin Monika Büning, Expertin für Umwelt und Produktsicherheit, gegenüber YaaCool. Diese müssten die Lieferkette kennen und die Zertifizierungsfirmen mithilfe von Stichproben stärker kontrollieren, um solche Fehler in Zukunft zu vermeiden. "Es geht schließlich um das Vertrauen der Verbraucher", so Büning.
Biokleidung gilt in der Modebranche als vielversprechender Trend – und deshalb trifft der Betrug die Handelsketten besonders hart. Innerhalb von vier Jahren hat sich der Produktionsumfang von Biobaumwolle weltweit von 20.000 auf 141.000 Tonnen erhöht, so die Financial Times Deutschland. Der Umsatz, der 2005 noch bei 500 Millionen US-Dollar lag, könnte 2010 5,3 Milliarden US-Dollar erreichen, so Schätzungen.