Nur einem Zufall ist es zu verdanken, dass Forscher auf die freigesetzten Gifte im Gletscherwasser des Oberhaargletschers in der Schweiz aufmerksam wurden. Christian Bodgal von der ETH Zürich und Peter Schmid von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt stellten fest, dass die Fische in den Bergseen eine hohe Konzentration an langlebigen organischen Schadstoffen, sogenannten POPs ("persistent organic pollutants"), aufwiesen.
Diese Chemikalien wurden früher zum Beispiel als Pestizide oder Weichmacher verwendet und sind heute verboten, da sie sich im Fettgewebe von Menschen und Tieren anreichern können und nur sehr langsam abgebaut werden. Viele der langlebigen Schadstoffe gelten als krebserregend.
Die Wissenschaftler analysierten daraufhin Bodenproben aus den Bergseen. Ihren Untersuchungen zufolge müssen die giftigen Stoffe bereits in den 1960er und 1970er Jahren im Gletschereis eingelagert worden sein. Damals habe man diese Chemikalien noch benutzt, so Peter Schmid, sie seien daher in die Umwelt und in das Wasser gelangt. In den neuen Eisschichten sind die Gifte in sehr hoher Konzentration vorhanden. Für die Forscher ist dies unerklärlich, denn die Schadstoffe sind bereits seit ungefähr 30 Jahren nicht mehr zugelassen.
Den Wissenschaftlern wurde schnell klar, dass die giftigen Stoffe von den Gletschern freigesetzt werden, denn auch bei Untersuchungen an anderen Gletscherseen fanden sie Schadstoffe in neueren Ablagerungen. Bestätigt wurde ihre These von dem Gletscherforscher Martin Lüthi. Das Schmelzen der Gletscher habe sich in den letzten zehn Jahren stark beschleunigt, so Lüthi, dadurch würden alle Stoffe im Gletscher schneller freigesetzt und gelangten mit dem Schmelzwasser in die umliegenden Flüsse und Seen.
In das Eis gelangen die Schadstoffe über die Luft. Wenn zum Beispiel aus Farbe der krebserregende Weichmacher PCB (Polychlorierte Biphenyle) entweicht, wird dieser über Luft, Regen und Schnee weitertransportiert und gelangt zum Gletscher. Dieser funktioniert ähnlich wie ein Förderband und transportiert die Stoffe nach unten. Da die Enden der Gletscher durch die Erderwärmung schneller schmelzen, entweichen auch die im Eis gebundenen Schadstoffe wieder.
Eine akute Gefahr für den Menschen sind die giftigen Stoffe zunächst jedoch nicht, denn wir nehmen ohnehin mit unserer Nahrung jeden Tag geringe Mengen POPs ein. Das Problem sei aber, so Peter Schmid, dass sich die Gifte im Körper anreicherten und nicht ausgeschieden würden.
Es ist zudem ungewiss, welche anderen Stoffe freigesetzt werden, wenn das Eis weiter schmilzt. Daher soll demnächst genauer analysiert werden, was noch in den Gletschern eingeschlossen ist.
Ähnliches passiert auch an anderen Orten der Welt. So scheinen nun auch die russischen Permafrostböden, gefrorene Erdschichten tief unter der Tundra, durch die Erderwärmung zu schmelzen. Das bekommen zunächst die Ureinwohner zu spüren, die dort als Herdenhalter und Nomaden leben. Sie haben Schwierigkeiten, mit ihren Schlitten weiterzuziehen, weil kein Schnee mehr liegt und die schweren Gefährte mitsamt der Rentiere im Matsch versinken. Doch an einem Ort bleiben können sie auch nicht, denn die karge Tundra ist schell abgegrast und die Rentiere brauchen Futter.
Doch die schmelzenden Permafrostböden haben noch weitreichendere Folgen, denn mit dem Schmelzwasser entweichen klimaschädliche Gase wie Methan oder Stickstoff. Fjodor Romanenko, Geologe der Staatlichen Universität Moskau ist besorgt über die Entwicklung. Denn je mehr Klimagase entweichen, desto mehr erwärmt sich die Erde und desto schneller schmelzen wiederum die Pole.