Kultur prägt die Ernährung
Viele Ernährungsgewohnheiten sind von Kindesbeinen an erworben. Regionale Küchen oder individuelle Vorlieben, Leib- und Magengerichte, aber auch die Vielfalt und Zubereitung der Nahrungsmittel prägen das Essverhalten. In den vergangenen Jahrzehnten hat im europäischen Raum auch das Wissen um die Produktionsweise und die Herkunft der Lebensmittel an Bedeutung gewonnen. Nicht nur "dass man isst", sondern "was man isst", wird beim Einkauf und Verzehr wichtig. Neben der Herstellung entscheiden dann aber auch religiöse Vorschriften darüber, was gekauft und verzehrt wird.Bio & Öko
Die Begriffe "biologische Landwirtschaft", "biologischer Anbau" und "ökologischer Anbau" sind im Bereich der EU geschützt. Sie stehen für bestimmte Produktionsweisen, die eingehalten werden müssen, damit produkte diese Bezeichnung tragen können. Die Politik und die lebensmittelproduzierenden Betriebe haben verschiedene Logos entwickelt, um die Waren für die Verbraucher optisch zu kennzeichnen. Wenn die Betriebe sich an die gesetzlichen Regelungen halten, können sie diese Siegel verwenden – sie müssen es aber nicht. So sind manche Lebensmittel "bio" oder "öko", ohne dass es für den Verbraucher direkt erkennbar ist. Anders herum gilt: Waren, die ein Bio- oder Öko-Siegel tragen, müssen nach den Vorschriften produziert worden sein.Religiöse Speisevorschriften
Grundsätzlich gilt, dass sich die Speisevorschriften der Christen, Juden und Muslime im Ursprung aus dem Alten Testament ableiten lassen. Aber die Vorschriften über erlaubte und verbotene Nahrungsmittel und die richtige Zubereitung haben unterschiedliche Entwicklungen genommen.Speisevorschriften im Christentum
Die christlichen Speisevorschriften richten sich heute noch nach den Fastenkalendern. Danach sollen bestimmte Nahrungsmittel zu Fastentagen nicht gegessen oder für einen bestimmten Zeitraum gemieden werden. Im Alten Testament wird das Verbot des Verzehrs von Blut erwähnt – aber Nahrungsverbote im strengeren Sinne, wie beispielsweise kein Schweinefleisch zu essen, gibt es nicht. In den Jahrhunderten gab es unterschiedliche Auffassungen darüber, was gegessen werden dürfe und was nicht. Historisch wurde beispielsweise der Verzehr von Pferdefleisch als heidnischer Brauch betrachtet. Doch "Rheinischer Sauerbraten" und "Blutwurst" weisen darauf hin, dass es immer schon Ausnahmen von der Regel gab. Und seit dem Mittelalter steuerten auch die Mönche und Nonnen in den Klöstern mit einer ausgefeilten Fastenküche kulinarisch dagegen. Möglicherweise werden die christlichen Speiseregeln heute als allgemein bekannt vorausgesetzt, denn spezielle Zertifikate oder Siegel gibt es nicht. Allenfalls kann vom gläubigen Verbraucher erwartet werden, dass sich in Lebensmitteln keine kulturell verpönten Bestandteile befinden.Speisevorschriften im Judentum
Das Judentum hat eine Vielzahl von Geboten und Verboten rund um die Herstellung, die Zubereitung und auch die erlaubten oder verbotenen Lebensmittel entwickelt. Diese Speisegesetze werden Kaschrut genannt und sind in der Tora niedergeschrieben. Alles was "koscher" ist, ist erlaubt – Verbotenes hingegen ist "trefe". Die Liste der erlaubten und verbotenen Lebensmittel ist sehr umfangreich. Bei der Speisenaufbewahrung und der Zubereitung ist darauf zu achten, dass "fleischige" Nahrungsmittel nicht mit "milchigen" Nahrungsmitteln in Berührung kommen. Hierzu ist auch unterschiedliches Geschirr zu verwenden. Eine der wichtigsten Regelungen ist beim Verzehr von Nahrungsmitteln aber das Verbot, Blut zu sich zu nehmen. Deshalb wird in der jüdischen Religion ein besonderes Schlachtverfahren praktiziert: die Schächtung.Für gläubige Juden, die sich im europäischen Raum an die Kaschrut halten möchten, ist die Ernährung schwierig. Da ihnen meist weder die Herkunft, noch die Art der Haltung von Tieren bekannt ist und auch die Produktion von Speisen bestimmte Anforderungen erfüllen muss, ist die Bewertung und Kennzeichnung der Waren von besonderer Bedeutung. Und weil das Schlachten in der Form der Schächtung in Deutschland, in aller Regel, nicht erlaubt ist, muss das Fleisch importiert werden. Dass die Waren nach den jüdischen Glaubensvorschriften produziert und verarbeitet wurden, wird mit einem so genannten Hechscher-Siegel bestätigt. Die Anbringung dieser Koscher-Zertifikate auf Verpackungen erleichtert den Gläubigen damit auch für den täglichen Einkauf den Überblick über erlaubte und nicht erlaubte Lebensmittel.
Speisevorschriften im Islam
Ähnlich wie im Judentum hat auch der Islam zum Verzehr von Lebensmitteln zahlreiche Gebote und Verbote. Ist im Christentum und Judentum der Alkoholgenuss toleriert, so gilt dies für den Islam im Allgemeinen nicht. Für Muslime und Juden gilt gleichermaßen das Verbot, Schweinefleisch zu essen. Den Muslimen ist aber beispielsweise der Genuss von Kamelfleisch erlaubt. Auch der Islam hat spezielle Schlachtvorschriften, die jedoch von denen des Judentums abweichen. Eine dieser Vorschriften ist, dass das Schlachttier nach Mekka ausgerichtet werden muss und während der islamischen Schächtung der Name Allahs gerufen oder die Anrufungsformel aus dem Koran, genannt Basmala, gesprochen werden soll. Die muslimischen Speisevorschriften unterscheiden in erlaubte Nahrungsmittel "halal" (arabisch) beziehungsweise "helal" (türkisch) und in verbotene Lebensmittel "haram". Dinge, die zu verspeisen verpönt sind, nennt man "makruh". Um erkennen zu können, dass es sich um ein erlaubtes Nahrungsmittel handelt, werden zunehmend auch "halal/helal"-Siegel (siehe Foto) auf den Verpackungen angebracht.Gelee, Fruchtsaft & Co. - Wie Essen aus religiösen Gründen "ungenießbar" wird
Für den europäischen Raum und gläubige Christen ist der Genuss von Fleisch und Produkten aus Schweinen nicht tabuisiert. So wird beispielsweise Gelatine aus der Haut und dem Knochengewebe hergestellt und zur Verarbeitung von Gelees, Marmeladen, zur Klärung von Fruchtsäften und Herstellung von Cremes und Süßigkeiten verwendet. Für jüdische oder muslimische Verbraucher ist bei diesen Produkten nur anhand der Zutatenliste erkennbar, ob verbotene oder erlaubte Geliermittel verwendet wurden – alternativ durch ein gut erkennbares Koscher- oder Halal-Siegel. Auch wird in Speisezubereitungen Fleisch von nicht halal-geschächteten Tieren verarbeitet oder Alkohol zugesetzt, wenn teils auch nur in geringen Mengen. In Rezepten oder zum Einreiben von Backblechen werden tierische Fette wie Schweineschmalz verwendet. Werden die religiösen Speisevorschriften nicht beachtet, werden diese Produkte für die Gläubigen dann "haram" oder "trefe" – sie sind zum Verzehr nicht geeignet.Wichtig zu wissen: Bio ist nicht automatisch halal/helal und koscher
Gelatine kann "bio" sein, sie ist aber nicht automatisch "koscher" oder "halal". Anders herum bedeutet es nicht, dass ein als "koscher" oder "halal" gekennzeichnetes Produkt wiederum den europäischen Öko- oder Bio-Vorschriften entspricht. Aus der religiösen Sicht sind "halal" und "koscher" gekennzeichnete Produkte auch nicht unbedingt gegeneinander austauschbar. Was "halal" ist, ist nicht zwingend "koscher" und umgekehrt.Die Siegel und Zertifikate sprechen einzelne Zielgruppen der Verbraucher an. Sie geben Auskunft über den Herstellungsprozess und über die Einhaltung möglicher religiöser Vorschriften zu den Bestandteilen und Produktionsweisen. Siegel, welche das Lebensmittel für die eine Verbrauchergruppe als "zum Verzehr geeignet" ausweisen, sind für die andere eventuell unzureichend.
Dieser Artikel wurde von Marion Röbkes geschrieben, die 2013 ihr Buch " Religion, Ernährung und Gesellschaft – Ernährungsregeln und -verbote in Christentum, Judentum und Islam" veröffentlichte.